In ihrer Veröffentlichung vom 22.01.2021, FAQ Nr. 19472, hat die EASA ihre Position hinsichtlich der Vorgaben für die Instandhaltung und das Packen von Rettungsfallschirmen bekanntgegeben:
Rettungsfallschirme sind hiernach nicht als Komponenten in Flugzeugen installiert. Infolgedessen unterliegen Rettungsfallschirme nicht den Anforderungen an die Lufttüchtigkeit und Wartung nach der Verordnung der Kommission (EU) Nr. 1321/2014 (Teil M und Teil ML).
Die Besitzer von Rettungsfallschirmen sind dafür verantwortlich, ihre Rettungsfallschirme gemäß den vom Hersteller veröffentlichten genehmigten Anweisungen in einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten.
Das regelmäßige Packen von Rettungsfallschirmen muss unter Berücksichtigung etwaiger zusätzlicher nationaler Vorschriften, gemäß den vom Hersteller veröffentlichten genehmigten Anweisungen, durchgeführt werden. Reparaturen oder Wartungen, außer an der Takelage, dürfen nur nach den genehmigten Anweisungen vom Fallschirmhersteller oder einer vom Hersteller autorisierten Organisation durchgeführt werden.
Darüber hinaus müssen bei der Beförderung an Bord von Luftfahrzeugen die von der Agentur herausgegebenen einschlägigen Sicherheitsinformationen, einschließlich der Lufttüchtigkeitsanweisungen, eingehalten werden.[1]
Unter RMT.0727 entwickelt die EASA derzeit die Durchführungsbestimmungen für die Zertifizierung nicht installierter Geräte „non-installed equipment“ (NIE) gemäß Artikel 13 der Verordnung (EU) 2018/1139. Letztendlich könnten sich aus diesen zukünftigen Regeln auch besondere Anforderungen an Rettungsfallschirme ergeben.
Am 9. März 2021 wurde die LuftPersV bezüglich der Klasse 3 Prüfer mit dem Vermerk „Rettungsfallschirme“ geändert. Diese Änderung und deren Konsequenzen für Eigentümer von Flugzeugen mit Rettungsfallschirmen wurden in der NfL 2021-2-603 veröffentlicht:
Prüferlaubnisse für Prüfer von Luftfahrtgerät Klasse 3 mit entsprechendem Eintrag für Rettungsfallschirme behalten ihre Gültigkeit bis zum Ende der jeweiligen Gültigkeitsdauer. Eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer einer bestehenden Prüferlaubnis für Prüfer von Luftfahrtgerät Klasse 3 mit dem Eintrag „Rettungsfallschirme“ oder eine Neuerteilung ist seit der Änderung der LuftPersV vom 9. März 2021 jedoch nicht mehr möglich.
Doch was bedeutet das für Piloten, Flugzeugeigentümer, Vereinsvorstände und Fallschirmpacker?
Ein Verzicht auf die regelmäßige Prüfung von Rettungsfallschirmen dürfte in Anbetracht ihrer überragenden Bedeutung als Lebensrettungssystem kaum ernsthafte Befürworter finden. Insbesondere in der Pilotenausbildung und im Luftsport kann kein Fluglehrer, Ausbildungsleiter oder Luftsportvereinsvorstand die Verantwortung für ungeprüfte Rettungsfallschirme übernehmen. Darüber hinaus ist weiterhin sicherzustellen, dass die Prüfung der Rettungsfallschirme von entsprechend qualifizierten Prüfern oder Betrieben erfolgt. Auch wenn zu diesem Thema noch viele Fragen offenbleiben, wäre es mit Sicherheit falsch, die EASA-Veröffentlichung oder die Änderungen der LuftPersV als Erleichterung oder gar Freibrief für die Prüfung von Rettungsfallschirmen zu verstehen. Das Gegenteil ist der Fall, denn jede scheinbare Deregulierung oder Erleichterung ist immer mit einer höheren Eigenverantwortung und höheren Haftungsrisiken verbunden. Das gilt für den einzelnen Luftfahrzeugeigentümer gleichermaßen wie für Vereinsvorstände oder Ausbildungsleiter.
Die EASA sieht Rettungsfallschirme zwar als „non-installed equipment“ (NIE) an, verweist aber gleichzeitig auf die nach wie vor einzuhaltenden Herstellervorschriften. In ihren Gerätehandbüchern schreiben die Hersteller von Rettungsfallschirmen in der Regel folgendes vor:
- Die Instandhaltung umfasst die Prüfung der Rettungsfallschirme auf Funktions- und Lufttüchtigkeit, einschließlich notwendiger Reparaturen.
- Die Instandhaltung, darf nur vom Hersteller selbst, anerkannten luftfahrttechnischen Betrieben oder zugelassenen Prüfern oder freigabeberechtigtem Personal für Rettungsfallschirme durchgeführt werden.
Beispiel: Spekon GmbH Auszug aus dem Gerätehandbuch des Rettungsfallschirmes RE-5L Serie 5+:
„Die Instandhaltung umfasst die Prüfung des Rettungsfallschirmes RE-5L Serie 5+ auf Luftfahrttauglichkeit sowie bei Notwendigkeit eine entsprechende Reparatur. Die Instandhaltung des Rettungsfallschirmes darf nur von dafür im Land des Halters zugelassenem Personal durchgeführt werden. (…) In Deutschland kann die Prüfung vom Hersteller, einem anerkannten luftfahrttechnischen Betrieb, einem dafür zugelassenen Prüfer für Luftfahrtgerät Klasse 3 bzw. anderem freigabeberechtigtem Personal für Rettungsfallschirme durchgeführt werden. Es ist ein Formblatt EASA Form 1 für Teil 145 (MF) oder eine gleichwertige Freigabebescheinigung auszustellen.“
Beispiel: Fa. Heinrich Mertens Auszug aus dem Gerätehandbuch der Rettungsfallschirme 10-30/24 II N mit 10-30/24 FSG:
„Als musterzulassungspflichtiges Luftfahrtgerät unterliegt der Fallschirm der Nachprüfpflicht. Nachprüfungen dienen zur Aufrechterhaltung der Funktions- und Lufttüchtigkeit eines Luftfahrtgerätes. Die Nachprüfung des Fallschirmes ist vom Hersteller oder einem anerkannten Luftfahrttechnischem Betrieb (LTB), sowie von Luftfahrtbehördlich anerkannten selbstständigen Prüfern, die über die für die Nachprüfung erforderlichen Unterlagen verfügen, durchzuführen.“
Soweit die Hersteller in ihren Gerätehandbüchern noch auf Prüfer von Luftfahrtgeräten Klasse 3 oder bestimmte EASA-Formblätter hinweisen, können diese Herstellervorgaben nach der EASA-Veröffentlichung vom 22.01.2021 und der NfL 2217-21, einschließlich der dieser NfL vorangegangen NfL, nicht mehr unbefristet und uneingeschränkt zur Anwendung kommen. Mit der Umwandlung der LSCO von einer CAMO in eine CAO bleiben die Prüfberechtigungen als anerkannter Luftfahrttechnischer Betrieb im Sinne der Herstellervorgaben vollständig bestehen. Eigentümer von Rettungsfallschirmen, die ihre Rettungsfallschirme über die LSCO prüfen lassen, können somit sicher sein, dass die Herstellervorgaben vollständig eingehalten werden und nur qualifizierte Rettungsfallschirmprüfer zum Einsatz kommen.
Prüferlaubnisse für Klasse-3 Prüfer behalten nur bis zu ihrem Ablauf Gültigkeit. Es wäre sicherlich wünschenswert, wenn die Rettungsfallschirmhersteller, ihre Gerätehandbücher bald an die geänderte Situation anpassen und damit die offenen Fragen beantworten würden, welche Anforderungen künftig für Luftfahrtbehördlich anerkannte selbständige Prüfer oder selbständiges freigabeberechtigtes Personal gelten sollen. Mit der Formulierung „…bzw. anderem freigabeberechtigten Personal für Rettungsfallschirme“ hat zumindest die Firma Spekon eine vorsichtige Anpassung der Prüfberechtigung für ihre Rettungsfallschirme vorgenommen. Welche konkrete Freigabeberechtigung für Rettungsfallschirme damit gemeint ist, bleibt jedoch unklar.
Der DAeC Bundesausschuss Technik hat bereits 2019 durch seine Richtlinie für die Ausbildung neuer Rettungsfallschirmprüfer die Grundlage dafür geschaffen, dass Rettungsfallschirme auch künftig zuverlässig geprüft werden können. Die offizielle Inkraftsetzung dieser Richtlinie steht jedoch weiterhin aus. Ein Rechtsgutachten soll zunächst Klarheit darüber schaffen, dass der BAT nicht für Handlungen der Prüfer haftbar gemacht werden kann, die in Übereinstimmung mit der Richtlinie, aber gegen die Herstelleranweisungen erfolgt sind. Fraglich bleibt aber, ob die Rettungsfallschirmhersteller die nach der DAeC-Richtlinie ausgebildeten Prüfer überhaupt in ihren Gerätehandbüchern anerkennen werden.
Zusammenfassend stellt sich die Situation wie folgt dar. Die EASA hat die Rettungsfallschirme zu sogenannten „non-installed equipment“ (NIE) (dis-)qualifiziert und somit dem Anwendungsbereich der Verordnung der Kommission (EU) Nr. 1321/2014 entzogen, die u.a. Regelungen über das in den Gerätehandbüchern der Hersteller genannte „freigabeberechtigte Personal“ enthält. Durch Änderungen der LuftPersV wurde auch dem LBA die Zuständigkeit für Prüfer Klasse 3 mit dem Eintrag Rettungsfallschirme entzogen. Die unter der Nummer RMT.0727 angekündigte EU-Durchführungsverordnung für „NIE“ dürfte noch einige Jahre auf sich warten lassen und ein Interesse der Rettungsfallschirmhersteller an Änderungen ihrer Gerätehandbücher ist ebenfalls nicht zu erkennen.
Trotz vieler offener Fragen können und werden die Rettungsfallschirmprüfungen auch künftig zuverlässig und rechtssicher von der LSCO durchgeführt. Für Piloten, Flugzeugeigentümer, Vereinsvorstände und Fallschirmpacker ändert sich daher kaum etwas und Prüfanträge können unverändert über die Internetseite http://lsco.aero/rettungfallschirme erteilt werden.
[1] U.A.: Punkt ORO.GEN.155 (b) oder Punkt NCO.GEN.145 (b) der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 zum Flugbetrieb der Kommission (Umsetzung jeder zutreffenden verpflichtenden von der Agentur herausgegebenen Sicherheitsinformation, einschließlich Lufttüchtigkeitsanweisungen), Punkt SAO.GEN.120 (b) der Durchführungsverordnung der Kommission (EU) 2018/1976 oder Punkt BOP.BAS.020 der Verordnung (EU) 2018/395 der Kommission.