Handhabung von Komponenten mit zeitlichen Limitierungen

In Punkt ML.A. 503 a) unterscheidet die Lufttüchtigkeitsverordnung (EU 1321/2014) zwischen

  1. Komponenten mit einer Begrenzung der zugelassenen Lebensdauer (certified life limit) und
  2. Komponenten mit Lebensdauerbegrenzung (service life limit).

Sowohl die Einordung in die eine oder andere Kategorie als auch die unterschiedliche Behandlung sind schwierig. Die Regelungen sagen zunächst nur Folgendes aus:

Komponenten mit einer Begrenzung der zugelassenen Lebensdauer (1.), die am Ende der Lebensdauer ausgemustert werden sollen, müssen zur Entsorgung aus dem Luftfahrzeug ausgebaut werden.

Komponenten mit Lebensdauerbegrenzung (2.), die am Ende der Lebensdauer einer Instandhaltung unterzogen werden müssen, um ihre Betriebstüchtigkeit wiederherzustellen, dürfen die im Luftfahrzeug-Instandhaltungsprogramm (AMP) und einschlägigen Lufttüchtigkeitsanweisungen (LTA) vorgeschriebene Lebensdauer, vorbehaltlich ihrer Verlängerung, nicht überschreiten.

Ist die zugelassene Lebensdauer einer Komponente begrenzt (1.), kann der Zeitraum bis zu ihrem „Ablauf“ von vornherein nicht in einem AMP verlängert werden. Der Ablauf der zugelassenen Lebensdauer einer unter diese Kategorie fallenden Komponente unterliegt nicht dem Gestaltungsspielraum des Luftfahrzeugeigentümers und muss ohne Änderung im AMP eingetragen werden. Und auch eine Instandhaltung ist bei diesen Komponenten nicht vorgesehen.

Im Unterschied dazu, besteht bei Komponenten mit Lebensdauerbegrenzung die Möglichkeit, den Zeitraum bis zum Ablauf im AMP festzulegen und die Betriebstüchtigkeit durch entsprechende Instandhaltungen wiederherzustellen. Begrenzt wird dieser Gestaltungsspielraum allerdings durch einschränkende LTA, die immer zu befolgen sind. Darüber hinaus dürfen sich diese Festlegungen nicht nachteilig auf die Lufttüchtigkeit auswirken. Zeiträume, nach denen die Betriebstüchtigkeit durch Instandhaltungen im Sinne von Überholungen wiederhergestellt werden können, werden als „Time between Overhaul“ (TBO) bezeichnet. Luftfahrzeugeigentümer können TBO-Zeiten nicht beliebig überschreiten und müssen dabei stetes die Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit im Auge behalten.

Für beide Kategorien gelten die Regelungen in ML.A.504 a) zur Überwachung nicht betriebstüchtiger Komponenten. Danach gilt jede Komponente als nicht betriebstüchtig, deren Lebensdauer abgelaufen oder mangelhaft ist, LTA nicht eingehalten werden oder ihre Lufttüchtigkeit nicht eindeutig bestimmt werden kann.

Ebenfalls für beide Kategorien gilt ML.A.504 c). Sofern Komponenten die zugelassene Lebensdauer erreicht haben, müssen diese als nicht wiederverwertbar ausgewiesen werden, es sei denn ihre Lebensdauer wurde verlängert oder ein Reparaturverfahren wurde genehmigt. Wie Verlängerungen hiernach erfolgen können, ist im Teil-ML allerdings nicht formuliert und wird auch in den AMC zum Teil-ML nicht beschrieben. Unter Berücksichtigung der in ML.A. 503 a) vorgenommenen Unterscheidung dürfte die Verlängerung von Komponenten mit Begrenzungen der zugelassenen Lebensdauer nur im Zusammenhang mit einem genehmigten Verfahren möglich sein. Eine eigenmächtige Verlängerung von certified life limits ist unzulässig.

Die Zuordnung der Komponenten mit Begrenzung der zugelassenen Lebensdauer (1.) oder mit Lebensdauerbegrenzung (2.) erschließt sich für einzelne Komponenten aus dem Wortlaut der Dokumente EASA-Form 1 und FAA 8130-3 oder den Kapiteln 4 und 5 der jeweiligen Wartungshandbücher, auf die in den Gerätekennblättern (TCDC) der betreffenden Luftfahrzeuge verwiesen wird. Im Kapitel 4 werden Komponenten mit Begrenzung der zugelassenen Lebensdauer (1.) aufgeführt und im Kapitel 5 Komponenten mit Lebensdauerbegrenzung (2.) einschließlich der jeweiligen life limits. Auch aus EASA-Form 1, FAA 8130-3 und Wartungshandbüchern einzelner Komponenten können sich sowohl Begrenzungen der zugelassenen Lebensdauer (certified life limit) als auch Lebensdauerbegrenzungen (service life limit) ergeben.

1. Beispiel certified life limit: „Gadringer-Gurte“ Lap Belt Assembly “BAGU 5000” – series

Im EASA Form 1 der Bauchgurte steht unter Ziffer 12.: „liftime for webbing: 12 years/ zul. Betriebszeit des Gurtbandes: 12 Jahre. Im zugehörigen Component Maintenance Manual

Lifetime (webbing material only!): max. 12 years after date of manufacturing (incl. storage time)/ Lebensdauer (nur Gurtbandmaterial!): max. 12 Jahre ab Herstellungsdatum (inkl. Lagerzeit). Nach Ablauf von 12 Jahren müssen die Gurte ausgemustert warden.

Im Jahr 1999 wurde wurde eine NfL II-83/99 erlassen, in der für alle Gurte ein certified life limit festgelegt wurde. Bei fehlenden life-limit-Angaben der Hersteller wurde diese auf 12 Jahre begrenzet. 2010 wurde diese auf bundesdeutschem Recht beruhende NfL ersatzlos aufgehoben (NfL II 19 / 10). Ab diesem Zeitpunkt galten vorbehaltlich neuerer NfL für einzelne Muster wieder die Herstellerangaben. Empfohlene life limits, d.h. Lebensdauerbegrenzungen (service life limit) mussten nicht mehr wie Begrenzungen der zugelassenen Lebensdauer (certified life limit) behandelt werden und durften wieder verlängert werden, bei fehlenden Herstellerangaben entfiel die 12-Jahres-Grenze und bei Gurten, deren Hersteller immer schon eine Begrenzung der zugelassenen Lebensdauer (certified life limit) vorgaben, wie beim Beispiel der Gadringer-Gurte, änderte sich mit der NfL II 19 / 10 nichts. Eine Verlängerung der Lebensdauer dieser Gurte im AMP ist weiterhin nicht möglich.

2. Beispiel service life limit: J5-00-00 SAFETY BELTS (in einigen polischen Segelflugzeugen verbaut. Das Betriebshandbuch sieht zunächst eine jährlich verlängerbare Lebensdauerbegrenzung von 7 Jahren vor. Mit BULLETIN No BE-006/93/J5.00.00 wurde diese Grenze auf 15 Jahre angehoben und bestimmte Service-Maßnahmen für die Verlängerung festgelegt.

3. Beispiel keine Lebensdauerbegrenzung: „AUTOFLUG“ Gurte FAG-7. Unter „Zeitbegrenzung“ findet sich im Gerätehandbuch nur der Eintrag, dass die Wartung der Gurte nach dem „On-Condition“ Prinzip anhand eines festgelegten Kontroll- und Wartungsplanes erfolgt und die Gurte so lange im Einsatz bleiben, bis sich bei den Kontrollen oder der Benutzung Mängel zeigen. Für die Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit müssen diese Kontrollen in einem AMP benannt werden. Anstelle einer life time wird in diesem Falle „on condition“ eingetragen.

Der Umgang mit Komponenten erfordert jeweils eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Begriffen „Begrenzung der zugelassenen Lebensdauer“ und „Lebensdauerbegrenzung“. Fehlerhafte Bewertungen und Einordnungen können hier sehr schnell zu unzulässigen Festlegungen in Instandhaltungsprogrammen führen. Sofern Lebensdauerbergenzungen den im Teil-ML eingeräumten Gestaltungsspielräumen der Flugzeugeigentümer unterliegen, ist verantwortungsvoll vorzugehen. Die Verantwortung des Flugzeugeigentümers für die Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit steht immer an erster Stelle.

Christian Bernius

(Geschäftsführer der LSCO)