In den Nachrichten für Luftfahrer (NfL) vom 03.06.2021, NfL 2021-2-619, wurden die NfL II-44/09[1] und 2-292-16[2] aufgehoben und nicht durch neue ersetzt.
Was beinhalteten die aufgehobenen NfL?
In der NfL II-44/09 wurden zulässige Zeitüberschreitungen für kalender- und betriebsstundenabhängige Instandhaltungen geregelt. Bei einem nicht für die gewerbsmäßige Beförderung genutzten Flugzeug konnte die planmäßige Instandhaltung nach einem Instandhaltungsprogramm[3] (Aircraft maintenance programm: AMP) beispielsweise bis 100 Betriebsstunden um 10 Prozent und über 100 Stunden bis 1000 um 5% überschritten werden, sofern dem keine Festlegungen des Musterbetreuers entgegenstanden. Bei kalendarischen Intervallen von 2 Monaten bis zu einem Jahr war mit den NfL eine zulässige Zeitüberschreitung von 15 Tagen geregelt.
Mit den aufgehobenen NfL 2-292-16 wurden Anforderungen an die Überschreitung von empfohlenen Betriebszeiten (Time Between Overhaul – TBO) von in Ausbildungsorganisationen zugelassenen Luftfahrzeugen neu bekanntgemacht und damit an die im Jahr 2016 in Kraft gesetzten neuen AMP-Regelungen angepasst.
In den durch die NfL 2-292-16 aufgehobenen NfL II-95/00 wurden die von den Flugmotorenherstellern angegebenen Betriebszeiten (TBO), sofern die Luftfahrzeuge in Luftfahrerschulen[4] betrieben wurden, als verbindlich angesehen. Abweichende TBO konnten nur auf Antrag des Halters[5] vom LBA festgelegt werden. Möglich war eine Verlängerung in zwei Schritten um 10 % und 5% (maximal 15%). Bei kalendarisch z.B. in Jahren festgelegten Betriebszeiten konnte die TBO auf Antrag um ein Jahr verlängert werden, wenn die zulässigen Betriebsstunden noch nicht erreicht waren. Darüber hinaus musste bei Kolbentriebwerken eine Sonderprüfung nachgewiesen werden.
Nach der ebenfalls durch die NfL 2-292-16 aufgehobenen NfL 2-79-14 konnte das Antragsverfahren entfallen, wenn im genehmigten AMP entsprechende Maßnahmen, wie die Sonderprüfung an Kolbenmotoren, ausgeführt wurden. Die maximal zulässige Höchstgrenze für die TBO-Verlängerung von Ausbildungsluftfahrzeugen wurde im Jahre 2014 jedoch beibehalten.
Mit der Verordnung (EU) 1321/2014 und den damit verbundenen neuen Bestimmungen im Punkt M.A. 302, Teil-M, zu den Anforderungen an AMP, wurden weitere Änderungen erforderlich und in der NfL 2-292-16 umgesetzt. Waren TBO-Überschreitungen für Ausbildungsluftfahrzeuge zunächst nur auf Antrag und zeitlich begrenzt möglich, entfiel 2016 auch die zeitliche Obergrenze. Die Betriebszeiten mussten jedoch entsprechend den Vorgaben der NfL für zur Ausbildung nicht gewerblich eingesetzte ELA1-Luftfahrzeuge, nicht als technisch komplizierte motorgetriebene Luftfahrzeuge sowie gewerblich eingesetzte Luftfahrzeuge in die IHP aufgenommen werden. Die Anforderungen reichen dabei von einer Selbsterklärung bei ELA1-Luftfahrzeugen bis zur Genehmigung alternativer und zusätzlicher Instandhaltungsanweisungen durch eine CAMO.
Was hat sich geändert?
Bis hier hin wird folgendes deutlich: Mit den Nachrichten für Luftfahrer werden gesetzliche Regelungen umgesetzt. Änderungen der NfL erfolgen in der Regel im Zusammenhang mit gesetzlichen Änderungen, die Ihre Grundlage mehr und mehr im EU-Recht haben. Waren die Anforderungen an AMP und TBO-Überschreitungen für die im Luftsport genutzten Luftfahrzeuge vor 20 Jahren noch sehr formal und mussten meistens behördlich oder indirekt durch eine CAMO genehmigt werden, liegt die Verantwortung für die im Luftsport genutzten Leichtluftfahrzeuge heute mehr bei den Eigentümern und TBO-Überschreitungen können in selbsterklärten Instandhaltungsprogramen aufgeführt werden. Die Europäische Kommission berücksichtigt durch diese und andere vereinfachte Anforderungen die geringeren Risiken von in der allgemeinen Luftfahrt eingesetzten Leichtluftfahrzeugen[6].
Vor diesem Hintergrund wird auch die Bedeutung der Nachrichten für Luftfahrer vom 03.06.2021, NfL 2021-2-619 klar: Die Aufhebung der NfL II-44/09 und 2-292-16 erfolgt aufgrund geänderter europäischer Anforderungen und Zuständigkeiten sowie vereinfachter Anforderungen an Leichtluftfahrzeuge. Eine Abschaffung von TBO-Überschreitungen oder Zeitüberschreitungen von Inspektionsintervallen ist damit nicht verbunden.
Was bedeutet das für Zeitüberschreitungen bei Inspektionsintervallen?
Mit der Grundlegenden Änderung der Verordnung (EU) 1321/2014 durch die Durchführungsverordnung (EU) 2019/1383 wurden für bestimmte[7] Luftfahrzeuge der allgemeinen Luftfahrt vereinfachte Anforderungen eingeführt und im neuen Teil-ML zusammengefasst. Bis zu dieser Änderung galten für alle Luftfahrzeuge, die komplexen Regelungen des Teil-M.
Nach Punkt ML.A. 302 (d)(1), des neuen Teil-ML, muss ein Mindestinspektionsprogramm[8] (MIP) unter anderem folgende Inspektionsintervalle umfassen:
„…für Flugzeuge, Reisemotorsegler (TMG) und Ballone alle Jahres- bzw. 100-Stunden-Intervalle, je nachdem, was früher eintritt, wobei eine Toleranz von einem Monat bzw. 10 Stunden angewandt werden kann. Das nächste Intervall ist ab dem Zeitpunkt der Inspektion zu berechnen;
für Segelflugzeuge und Motorsegler (außer TMG) alle Jahresintervalle, auf die eine Toleranz von einem Monat verwendet werden kann. Das nächste Intervall ist ab dem Zeitpunkt der Inspektion zu berechnen.“
Damit wurde für Luftfahrzeuge im Anwendungsbereich des Teil-ML eine Toleranzgrenze festgelegt und der aufgehobenen NfL II-44/09, die ohnehin noch auf die längs außer Kraft getretene Verordnung (EU) 2042/2003 und den Teil-M verwies, die Grundlage entzogen. In der aufgehobenen NfL II-44/09 waren darüber hinaus noch Toleranzgrenzen für Intervalle unter 100 und über 100 bis 1000 Betriebsstunden enthalten. Dazu fehlen entsprechende Vorgaben im Punkt ML.A. 302 (d)(1) des neuen Teil-ML, weil diese Intervalle im Mindestinspektionsprogramm nicht erforderlich sind.
Aber auch wenn das AMP den Anweisungen zur Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit (ICA) des Inhabers der Entwurfsgenehmigung (DAH) basiert und somit kein MIP vorliegt, sind Zeitüberschreitungen zulässig, wenn sie im Instandhaltungsprogramm geregelt werden. Die bisherigen in den aufgehobenen NfL II-44/09 genannten Zeitüberschreitungen dürften dabei in den meisten Fällen als geeignet angesehen werden.
In Punkt ML.A.302 (c)(3) wird zwar nicht explizit auf Zeitüberschreitungen eingegangen, dafür aber auf zusätzliche oder alternative Maßnahmen, wie z.B. weniger häufige Intervalle, die nicht weniger restriktiv sein dürfen, als die in einem Mindestinspektionsprogramm festgelegten Maßnahmen[9].
Unabhängig davon ist jede Abweichung von den ICA des DAH mit mehr Verantwortung der Luftfahrzeugeigentümer verbunden. Der Luftfahrzeugeigentümer, der sich großzügig Intervallverlängerungen und Toleranzen einräumt, trägt hierfür die volle Verantwortung und haftet, wenn etwas schief geht.
In den AMC und GM zum Teil-ML wird darauf hingewiesen, dass zumindest bei der Bewertung von Abweichungen durch eine CAO oder CAMO ein risikobasierter Ansatz zu wählen ist, der Aspekte wie den Betrieb des Luftfahrzeuges, den Luftfahrzeugtyp, Betriebszeiten, die Wartung und Redundanz von Komponenten einbeziehen sollte. Wenn ein Luftfahrzeugeigentümer seine Entscheidungen für Abweichungen auch nicht begründen braucht, sollte er die genannten Risikoaspekte allein schon aufgrund seiner persönlichen Verantwortung und zur Vermeidung von Haftungsrisiken berücksichtigen.
Eine Orientierung an den bisherigen in den aufgehobenen NfL festgelegten Toleranzen kann daher auch bei einem AMP das sich ansonsten nach den ICA des DAH richtet, zweckmäßig sein, sofern die oben genannten Mindestanforderungen für 100-Studnen und Jahres-Intervalle beachtet werden. Ein Verweis auf die aufgehobenen NfL II-44/09 ist zur Regelung der Zeitüberschreitung allerdings nicht mehr ausreichend. Soweit bei den Wartungsintervallen von den ICA des DAH abgewichen werden soll, ist in dem jeweiligen Instandhaltungsprogramm konkret darauf einzugehen.
Nicht zuletzt müssen die Festlegungen im Instandhaltungsprogramm mindestens einmal jährlich auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Die Überprüfung erfolgt zusammen mit der Prüfung der Lufttüchtigkeit (ARC). Werden bei der Überprüfung Mängel am Luftfahrzeug festgestellt, die auf Mängel im Instandhaltungsprogramm zurückgehen, sind Änderungen fällig.
Was bedeutet das für TBO-Überschreitungen?
Was für die Inspektionsintervalle gilt, ist auch bei TBO-Überschreitungen zu berücksichtigen. Die Aufhebung der NfL 2-292-16 bedeutet hier zunächst nur eine Gleichstellung von Ausbildungsluftfahrzeugen mit Luftfahrzeugen ohne diese Nutzung. Auch für TBO-Überschreitungen gilt Punkt ML.A.302 (c) (3), wonach das AMP zusätzliche oder alternative Instandhaltungsmaßnahmen enthalten kann[10] . Zu beachten ist hierbei jedoch der Unterschied zwischen notwendigen und empfohlenen TBO. Eine Verlängerung ist nur bei vom DAH empfohlenen TBO zulässig. Diese Instandhaltungsempfehlungen werden in Service Bulletins, Service Letters und sonstigen fakultativen Serviceinformationen veröffentlicht. Bei Komponenten mit Lebensdauerbegrenzung ist eine TBO-Überschreitung unzulässig. Gemäß Punkt ML.A.302 (c) (5) (c) und (d) muss dieser Unterschied aus einem Instandhaltungsprogramm eindeutig hervorgehen. Entsprechendes gilt auch für zwingend vorgeschriebene Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit oder Lufttüchtigkeitsanweisungen mit Wiederholungsintervallen. Auch hier sind keine Überschreitungen vorgegebener Maßnahmen, Fristen und Zeiträume zulässig. Welche Komponenten zwingenden oder empfohlenen Serviceinstruktionen unterliegen, ergibt sich aus den im Type-Certificate Data Sheet (TCDS) genannten Servicehandbüchern, insbesondere zum Triebwerk, Propeller und Flugzeug.
Für ein ICA des DAH basiertes AMP enthalten die AMC2 ML.A.302 ein Formular, in dem die Abweichungen von nicht obligatorischen Serviceinformationen eingetragen werden können[11]. Die Auflistung enthält die Punkte Aufgabenbeschreibung, Empfohlenes Intervall, Alternative Inspektion/Aufgabe, Geändertes Intervall.
In AMC1 ML.A.302(d) finden sich MIP-Vorlagen mit Serviceaufgaben und Inspektionsdetails für Flugzeuge, Motorsegler, Segelflugzeuge und Ballone, die anstelle der ICA der DAH verwendet werden können, um die Anforderungen an den Inhalt an ein MIP nach ML.A.302(d) zu erfüllen. Als Grundlage für ein MIP dient das AMP-Formular in AMC2 ML.A.302.
[1] NfL II 44/2009: Bekanntmachung über die zulässige Zeitüberschreitung bei der Instandhaltung von Luftfahrzeugen vom 7. Mai 2009
[2] NfL 2-292-16: Bekanntmachung über den Weiterbetrieb von Geräten und Komponenten oberhalb der von deren Hersteller empfohlenen Betriebszeiten von in zugelassenen Ausbildungsorganosationen (ATO) eingesetzten Luftfahrzeugen
[3] Die NfL 44/2009 beziehen sich die Verordnung (EG) 2042/2003, die 2014 durch die Verordnung (EU) 1321/2014 ersetzt wurde. Gemäß M.A.302 der VO(EG) 2042/2003 mussten alle AMP von der Behörde oder indirekt von einer CAMO genehmigt werden, selbsterklärte AMP gab es im Jahr 2009 ebenso wenig wie die Unterscheidung zwischen dem Teil-M und dem Teil-ML der Verordnung.
[4] Für die private Nutzung wurde die Festlegung von zulässigen Betriebszeiten schon in den NfL II-70/99 aufgehoben. Die TBO-Verlängerung gilt auch nicht für Bauteile mit Lebenszeitbegrenzung.
[5] In den aktuellen EU-Regelungen wird nur noch der Begriff des Eigentümers verwendet.
[6] Abs. (1) der Erwägungen der Kommission zur Durchführungsverordnung (EU) 2019/1383 vom 8. Juli 2019. Ausgenommen von den vereinfachten Anforderungen bleiben die im Luftverkehrsbetreiberzeugnis eines Luftfahrtunternehmens aufgeführten Luftfahrzeuge.
[7] Andere als technisch komplizierte motorgetriebene Luftfahrzeuge, d.h. Flugzeuge mit einer höchstzulässigen Startmasse (MTOM) von 2 730 kg oder darunter, Drehflügler mit einer höchstzulässigen Startmasse (MTOM) von 1 200 kg oder darunter, die für höchstens vier Insassen zugelassen sind und sonstige ELA2-Luftfahrzeuge, die nicht im Luftverkehrsbetreiberzeugnis eines nach der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 zugelassenen Luftfahrtunternehmens eingetragen sind.
[8] Das Mindestinspektionsprogramm (MIP) ist nach Punkt ML.A. 302 teil eines Luftfahrzeug-Instandhaltungsprogrammes, das von den Anweisungen zur Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit (ICA) abweichen kann, die vom Inhaber der Entwurfsgenehmigung (DAH) für das betreffende Luftfahrzeug herausgegeben werden. Das MIP muss einen nach Punkt ML.A. 302 d) vorgegebenen Mindestinhalt aufweisen, kann durch Selbsterklärung aufgestellt werden und muss einmal jährlich überprüft werden.
[9] GM1 ML.A.302(c)(3): “…for example, a less frequent interval or a different task type (inspection instead of check) than the one established by the ICA.”
[10] AMC1 ML.A.302(c) benennt TBO-Überschreitungen bespielhaft für Alternativen zu den ICA der DAH
[11] AMC2 ML.A.302, EASA FORM AMP, Appendix C — Maintenance tasks alternative to the DAH’s ICA (not less restrictive than the MIP)