In Verbindung mit der jährlichen Lufttüchtigkeitsprüfung steht die Überprüfung des AMP. Nach Punkt ML.A. 302 c) 9.) ist das AMP dabei auf seine Wirksamkeit hin zu überprüfen. Das AMP ist unwirksam und mithin zu ändern, wenn bei der Lufttüchtigkeitsprüfung (ARC) Mängel festgestellt werden, die auf inhaltliche Mängel im AMP zurückzuführen sind. Hiervon zu unterscheiden ist die Verpflichtung des Luftfahrzeugführers nach Punkt ML.A. 201 a) 4.), die Instandhaltung des Luftfahrzeuges nach dem AMP durchzuführen. Auch aus dieser Verpflichtung heraus kann sich die Notwendigkeit zur Änderung eines AMP ergeben.

Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen inhaltlichen AMP-Mängeln und Mängeln am Luftfahrzeug wäre in folgendem konstruiertem Beispielsfall möglich:

Bei der Lufttüchtigkeitsprüfung an einem Segelflugzeug wird festgestellt, dass der Mechanismus der Schleppkupplung schwergängig und korrodiert ist. Der Hersteller der Schleppkupplung empfiehlt eine Grundüberholung nach 4 Jahren. Im AMP wurde anstelle dieses 4-Jahres-Intervalls eine jährliche Sichtkontrolle und die Anzahl der zulässigen Starts auf 2000 bis zur nächsten Grundüberholung festgelegt. Das betreffende Segelflugzeug wird jedoch nur selten geflogen und hat seit der letzten Grundüberholung der Schleppkupplung, die vor 6 Jahren erfolgte, gerade einmal 600 Starts absolviert. Das Segelflugzeug steht in einem Hangar, in dem eine überdurchschnittliche Luftfeuchte herrscht. In Zukunft sind auch nicht mehr als 100 Starts im Jahr zu erwarten und das Segelflugzeug kann auch nicht woanders abgestellt werden.

In diesem Beispielfall muss die Schleppkupplung zunächst überholt oder getauscht werden, weil ein Mangel festgestellt wurde. Darüber hinaus muss auch das AMP geändert werden. Ein AMP ist unwirksam, wenn festgestellte Mängel hätten vermieden werden können, wenn bestimmte Empfehlungen (ICA)[1] des Luftfahrzeugherstellers (DAH) oder einzelner Komponentenhersteller in das Instandhaltungsprogramm aufgenommen worden wären, von denen der Luftfahrzeugeigentümer bei der Erstellung seines AMP zunächst abgewichen ist.[2] In unserem Bespielfall wurde vom empfohlenen 4-Jahres-Intervall abgewichen. Der Mangel ist nach 6 Jahren festgestellt worden. Der Mangel hätte somit vermieden werden können, wenn im AMP nicht von den Herstellerempfehlungen abgewichen worden wäre und die Schleppkupplung bereits 2 Jahre zuvor grundüberholt worden wäre. Das AMP war folglich unwirksam und die bestehenden Nutzungs- und Abstellbedingungen konnten zu dem festgestellten Mangel führen.

Der Luftfahrzeugeigentümer wäre im Ergebnis verpflichtet, in seinem AMP das vom Hersteller empfohlene 4-Jahres-Intervall oder andere geeignete Maßnahmen festzulegen.

Bevor in einem AMP von den ICA des DAH abgewichen wird, ist zunächst zu prüfen, ob Abweichungen überhaupt zulässig sind. Auf die in diesem Zusammenhang u.a. erforderliche Unterscheidung zwischen Komponenten mit einer Begrenzung der zugelassenen Lebensdauer (certified life limit) und Komponenten mit Lebensdauerbegrenzung (service life limit) nach Punkt ML.A. 503 a) wurde im letzten Lilienthaler[3] eingegangen. Der sein AMP selbsterklärende Luftfahrzeugeigentümer sollte sich immer über die volle Verantwortung für den Inhalt und die möglichen Folgen von Abweichungen im Klaren sein. Je weiter von den ICA des DAH abgewichen wird, desto mehr Haftungsrisiken und Erklärungsnöte bestehen. Auch wenn keine Verpflichtung zur Übermittlung an das LBA besteht, kann die Behörde jederzeit die Einsicht in das AMP verlangen, auch wenn keine Mängel gemeldet wurden. Darüber hinaus können speziell ACAM-Inspektionen ihren Schwerpunkt auf die Bereiche des Luftfahrzeuges legen, bei denen von den ICA des DAH abgewichen wurde.

Bei der Bewertung von Alternativen zu empfohlenen Instandhaltungsmaßnahmen, wie die Verlängerung von TBO-Intervallen oder der Nichtdurchführung empfohlener Instandhaltungsmaßnahmen, ist ein risikobasierter Ansatz gefordert. So kann bei ausschließlich privat genutzten Luftfahrzeugen von einem geringeren Risiko ausgegangen werden als bei einem für die Flugausbildung genutzten Luftfahrzeug. Demgegenüber ist bei einer vorgesehenen Instandhaltung durch einen Pilot-Eigentümer von einem höheren Risiko auszugehen als das bei einer Wartung durch einen genehmigten Instandhaltungsbetrieb. Die Risikobewertung insgesamt kann nach einer Risiko-Matrix erfolgen, die folgende Faktoren[4] bewertet:

  1. Erfolgt ein privater oder gewerblicher Flugbetrieb mit oder ohne Schulung (OPS-Zulassung)?
  2. Wird nach VFR bei Tag oder auch bei Nacht oder nach IFR geflogen (Flugregeln)?
  3. Welcher Gewichtsklasse entspricht das Luftfahrzeug (LSA, ELA1 oder höher)?
  4. Wird die Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit von einer CAO/CAMO geführt oder verwaltet ein privater Eigentümer sein Luftfahrzeug selbst?
  5. Wird das Luftfahrzeug regelmäßig von einem zugelassenen Betrieb instandgehalten oder vom Piloten-Eigentümer selbst?
  6. Ist das Luftfahrzeug neuer oder älter und hat weniger oder mehr Flugstunden und Starts?
  7. Gibt es sonstige Bedingungen, die sich risikoverringernd oder risikoerhöhend auf die Lufttüchtigkeit auswirken?

Für jede Frage können bei geringem Risiko 1, bei mittlerem Risiko 2 und erhöhtem Risiko 3 Punkte vergeben werden. Je höher die Punktzahl am Ende ist, desto höher ist das Gesamtrisiko einzuschätzen und desto weniger sollte, soweit überhaupt zulässig, von den empfohlenen Instandhaltungsmaßnahmen im AMP abgewichen werden. Darüber hinaus sollten die individuellen Auswirkungen einzelner Risiken auf bestimmte Komponenten berücksichtigt werden. So können einzelne Komponenten beim Einsatz in der Flugausbildung wesentlich stärker beansprucht werden, etwa das Triebwerk. Obwohl das Risiko bei einem gewerblich genutzten Schulflugzeug aufgrund der zwingenden Führung der Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit durch eine CAO/CAMO in diesem Punkt geringer ist, als bei einem Flugzeug, das von seinem Eigentümer selbst verwaltet wird, sollten die empfohlenen Triebwerks-TBO nicht überschritten werden.

Eine Anpassung des AMP kann aber auch aufgrund der am Anfang genannten Regelung erforderlich werden, nach der bei der Durchführung der planmäßigen Instandhaltung nicht vom Inhalt des AMP abgewichen werden darf. Am häufigsten ist dies der Fall, wenn ADs, NfL II oder LTAs aufgehoben wurden. Entfällt beispielsweise eine Verpflichtung, Wägungen in bestimmten Zeitabständen durchzuführen, auch wenn keine Änderungen am Luftfahrzeug vorgenommen wurden, müssen diese dennoch durchgeführt werden, solange diese im jeweiligen AMP aufgenommen wurde.[5] Nicht mehr vorgeschriebene Maßnahmen müssen dann allein aufgrund ihrer Eintragung im AMP durchgeführt werden.

Eine Ausnahme von der Bindungswirkung des AMP wird im GM1 zu ML.A. 302 g) genannt. Danach darf, abgesehen von den in Unternummer ML.A. 302 d) 1.) vorgesehenen 10-Stunden bzw. 1-Monats-Toleranzen, bei den Inspektionsintervallen nicht vom Inhalt des AMP abgesehen werden.

Neben den Jahres- oder 100h-Inspektionen gibt es allerdings auch 200, 500 oder andere Stundenkontrollen, für die diese Ausnahme von der Bindungswirkung des AMP nicht festgelegt ist. Wurden für diese in einem AMP keine Toleranzen festgelegt, dürfen diese Zeiten auch nicht überschritten werden.

Sofern es sich nicht um zwingende, sondern um empfohlene Stundenkontrollen handelt, können auch für diese entsprechende Toleranzen im AMP aufgenommen werden. Auch hier gilt, dass die Toleranzen vor dem Hintergrund der bestehenden Verantwortung und unter Berücksichtigung eines risikobasierten Ansatzes nicht verantwortungslos ausgeweitet werden dürfen. Bis 2021 konnte hier auf die inzwischen aufgehobene NfL II-44/09 verwiesen werden. Mit der Aufhebung[6] dieser NfL II-44/09 verbietet sich ein entsprechender Verweis. Die in der aufgehobenen NfL genannten Toleranzen können unter Berücksichtigung des dargestellten risikobasierten Ansatzes jedoch weiterhin als sachgerecht angesehen und in einem AMP aufgeführt und verwendet werden[7]. Bei den Jahres- und 100h-Inspektionen darf dabei aber nicht von ML.A. 302 d) 1.) abgewichen werden. Diese Toleranzen gelten für alle AMP, d.h. für Mindestinspektionsprogramme und AMP, die auf den ICA der DAH basieren.

Für weiterführende Informationen rund um die Themen Technik und Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit veranstaltet das Luftsport Service-Center Ost auch in diesem Jahr wieder eine Technische Konferenz.

LSCO-TEKO-23 am 02. Dezember 2023, 10:00 Uhr, Hugo-Junkers-Saal Veranstaltungszentrum am Golfpark Dessau.

Anmeldung: https://lsco.aero/weiterbildung-teko/

Christian Bernius (Geschäftsführer der LSCO)


[1] ICA: Instructions for continuing airworthiness (Anweisungen zur Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit)

[2] AMC1 ML.A.302 c)9)

[3] Der Lilienthaler 1/2023, Seite 22.

[4] AMC1 ML.A.302 c)

[5] NfL 2-439-18: Annex-I-Luftfahrzeuge sind aller 4 Jahre und nach bestimmten Maßnahmen zu wiegen. Ansonsten gilt für den nicht gewerblichen Flugbetrieb: Vor der ersten Inbetriebnahme Ermittlung von Gewicht und Schwerpunktlage und wenn die Auswirkungen von Änderungen auf die Masse und die Schwerpunktlage nicht genau bekannt sind. Gewerblich genutzte Luftfahrzeuge sind ebenfalls aller 4 Jahre zu wiegen.

[6] NfL 2021-2-619 vom 03.06.2021

[7] Der Lilienthaler 2-3/2021, Seite 35

Bewertung von Alternativen zu empfohlenen Instandhaltungsmaßnahmen bei der Erstellung und jährlichen Überprüfung von Instandhaltungsprogrammen (AMP)

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